Es sollte mit Rucksack und Zelt über verlassene Pfade in Nordschweden gehen. Den Blick über scheinbar endlose Landschaften schweifen lassen. Die Schlafplatzsuche am Abend ein sich wiederholendes Abenteuer. Doch es kam anders.
Ania und ich erwarten voller Vorfreude unseren ersten Sohn und bliesen den geplanten Trip mit schwerem Gepäck durch die Einsamkeit Nordschwedens kurzerhand ab. Stattdessen ging es bereits zum zweiten Mal auf „unsere“ Almhütte im Villgratental. „Wir haben nichts, kommen Sie zu uns“, lautet der Slogan der Einheimischen. Besser kann man uns nicht locken.
Wir verbrachten zwei Wochen im September auf einer Hütte ohne Strom, warmes Wasser und WC. Doch ein knisternder Ofen, eine spektakuläre Aussicht, launige Natur und die zahlreichen Hüttenabende bei Kerzenlicht haben uns Nichts vermissen lassen.
Lest, hört und schaut selbst! Für die Tonaufnahmen lohnen sich gute Kopfhörer.
Lausbubengehabe, Draußensein und sich über dreckige Hosen freuen. Pfifferlinge im Wald sammeln und mit dem Taschenmesser säubern. Holz hacken, Feuer im Ofen machen und Pilze darüber zum Trocknen aufhängen. Hefeteig kneten, verbranntes Stockbrot und verkohlte Ofenkartoffeln essen – gewürzt mit vor der Haustür geflücktem Thymian.
Tiefgründige Gespräche in schummriger Hütte führen, dabei merken, was einem wirklich wichtig ist. Ohne Internet und Handy auskommen. Frei und glücklich sein. Am nächsten Morgen von Kuhglocken geweckt werden und dem Lockruf der Natur folgen: Raus, raus, raus!
Dank Schmuddelwetter Töne der Natur vor der Tür aufnehmen. Aus dem Tal aufziehende Wolken als Naturschauspiel mit der Kamera festhalten. Auf kostenlosen Logenplätzen die Solovorstellung genießen.
Zeit haben, um Kühen beim Wiederkäuen zuzuschauen. Große Waldameisen beim Abtransport eines Regenwurms beobachten, den Kraftakt mit einer Filmsequenz würdigen. Bei Anbruch der Dämmerung querfeldein im Wald herumstapfen, innehalten, sich über die neue Geräuschkulisse freuen. Schichtwechsel im Paradies!
Im Dunkeln eine Kerze in der Almkapelle anzünden und kurze Zeit später über die Leuchtkraft staunen. Die Kamera auf dem Stativ ausrichten, um eine Langzeitbelichtung von Kapelle und Bergwelt zu machen.
Mit seiner Liebsten im Arm die dicken Daunendecken gemeinsam aufwärmen. Morgens den über Nacht kalt gewordenen Wohnraum mit einem Ofenfeuer wärmen, mit Neugier neue Geräusche beim Kaffeekochen entdecken. Das Frühstück auf dem Balkon genießen – warm eingepackt bei Minusgraden.
Auf 1970 Metern den ersten Schnee des Jahres vor der Hüttentür persönlich begrüßen. Eingeschneit sein, Blackout vorlesen und zufrieden auf die Vorräte blicken. Mit kindlicher Freude durch tiefen Neuschnee stapfen. Beim Anblick der schneebedeckten Berghänge an monochrome Strichzeichnungen längst vergangener Zeiten denken.
In Büchern und Magazinen Inspiration tanken. Foto- und Textideen auf Papier notieren. Über neue Projekte und das Leben nachdenken – dabei ein Blick durch das beschlagene Hüttenfenster: Das Wetter seit Tagen ein launischer, unbeständiger Traum.
“Über allen Gipfeln ist Ruh…”, schrieb Johann Wolfgang von Goethe einst an einem Septemberabend. Wie passend! Er muss hier gewesen sein.
3 Kommentare