Seit Anfang 2014 fotografiere ich mit einer Messsucherkamera – der Leica M. Ich habe hier nicht ausführlich über die Gründe meines Umstieges vom Fuji X-System auf Leica berichtet, weil ich der Auffassung bin, dass es objektiv schlichtweg nicht von Bedeutung ist. Mit jeder aktuellen Kamera lassen sich heute tolle Ergebnisse erzielen. Technisch werden kaum Grenzen gesetzt. Dennoch möchte ich in diesem Beitrag meine Überlegungen und Erfahrungen erläutern.
Wichtig erscheint mir bei der Kamerawahl die Frage, ob der Fotoaparat mich darin unterstützt, gut und vor allem gerne zu fotografieren, meine Kreativität beflügelt – ein Kriterium, das in Tests von Fachmagazinen mit standardisierten Verfahren nicht berücksichtigt wird und wohl auch nicht berücksichtigt werden kann.
Bei meiner Leica M fasziniert mich das manuelle Arbeiten mit einem System, dessen Bedienkonzept seit Jahrzehnten unverändert puristisch, zeitlos und stets dem zu fotografierenden Motiv zugewandt ist. Motivklingel, Gesichtserkennung, Auto-HDR sucht man vergebens bei der Suche nach dem „decisive Moment“.
Das Auseinandersetzen mit den Möglichkeiten und das Ausloten der systembedingten Grenzen ist für mich Motivation und Herausforderung zugleich. Häufig benötige ich mit der M mehr Zeit, bis ich mit dem Foto zufrieden bin. Das spornt an.
Ich suche, beobachte, fokussiere, hinterfrage, verändere den Standpunkt, fokussiere erneut und löse schließlich aus.
Ich genieße diese Arbeitsweise und wäre vermutlich schon drei Straßen weiter spaziert, wenn mir der schnelle Autofokus eines Teleobjektivs und der geschönte Blick durch den Sucher einer Spiegelreflexkamera die Entscheidung zum Auslösen zu leicht gemacht hätte.
Meine Objektivwahl
Meine M-Ausrüstung ist mit einem 50mm Summicron, einem 35mm Summarit und dem 28mm Elmarit Objektiv komplett. Im Rahmen meiner Fotoessays über LA, Delhi, Paris und Berlin habe ich fast ausschließlich mit der 35mm und 28mm Festbrennweite fotografiert. Je mehr Weitwinkel, umso stärker wird die Umgebung einbezogen. Das fordert heraus. Schließlich werden Details abgebildet, die stören oder das Motiv bewusst bereichern können.
Grundsätzlich besteht für mich die große Stärke der Fotografie darin, ausgewählte Momente als Teil einer Geschichte festzuhalten. Eine einzelne, gute Fotografie lädt zum Verweilen, Beobachten und Nachdenken ein. Mir geht es bei meinen Aufnahmen darum, Motive zu gestalten, die Erinnerungen, Gedanken und unterschiedliche Assoziationen beim Betrachter wecken. Weitwinklige Festbrennweiten helfen mir dabei mehr, als Teleobjektive und bis zur Unkenntlichkeit weichgezeichnete Hintergründe, die zwar den Blick direkt auf das Motiv lenken, gleichzeitig aber häufig wenig Tiefgang erzeugen.
Das Elmarit-M 28mm ASPH ist derzeit mein Lieblingsobjektiv. Es ist das kleinste Objektiv von Leica und unterscheidet sich neben der Brennweite vom 35er Summarit in der Farbwiedergabe. Farben erscheinen etwas kontrastreicher und feiner abgestuft. 28 Millimeter sind der Beginn des Weitwinkelbereiches und erzeugen eine vergleichsweise natürliche Bildwirkung gegenüber extremeren Weitwinkelobjektiven. Paradoxerweise komme ich mit dem 28er erstaunlich nah an Menschen heran und kann unbemerkt fotografieren, weil mein Gegenüber nicht erkennt, dass ich gerade ihn fotografiere. So gelangen mit vor Kurzem in Indien natürliche und unmittelbare Aufnahmen, die ich sehr mag.
Als universelleres Objektiv nutze ich das 35er sehr gerne. Ein Nachteil ist allerdings die größere Naheinstellgrenze von 0,8 Metern gegenüber 0,7 Metern beim Elmarit und Summicron. Das macht sich in der Praxis für mich durchaus bemerkbar, weil ich gerne nah rangehe.
Tipp: Zoomobjektiv als Festbrennweite
Doch es muss nicht zwingend Leica sein. Seit vielen Jahren begeistert mich die Fotografie immer wieder aufs Neue – auf Reisen und beim Segelfliegen. Die Aufnahmen der vergangenen Jahre sind mit unterschiedlichen Kamerasystemen entstanden. Auf Festbrennweiten bin ich bei allen Systemen recht früh umgestiegen. Wer zunächst nicht in bestimmte Festbrennweiten oder gar Leica investieren möchte, der fixiert mit Tape einfach den Zoomring seines Kitobjektives. Startet mit 50 oder 35 Millimetern. Es braucht eine Weile, bis man sich an die Möglichkeiten und den Charakter der Brennweite gewöhnt an. Anschließend macht es die Fotografie in vielen Fällen leichter und führt erstaunlicherweise zu besseren Ergebnissen, da man bewusster und gezielter nach Motiven Ausschau hält.
Doch was wäre dieser Beitrag ohne Bilder? Hier kommen ein paar aktuelle Beispiele und die passende Tonaufnahme aus Indien – aufgenommen mit 28 und 35 Millimetern.